Da ich inzwischen schon den zweiten langfristigen Heimtrainer habe, gibt es da natürlich auch zwei Ruderwahrheiten in meinem Kopf. Groß geworden bin ich mit:
Rudern muss Spaß machen.
Meinem ersten Trainer wäre es nie in den Sinn gekommen, mir vor einem Rennen viel Glück (wenn man das braucht, dann kann man es eh lassen) oder viel Erfolg zu wünschen. Ich bekam immer ein "viel Spaß" mit auf den Weg. Deshalb stehe ich noch heute breit grinsend auf dem Regattaplatz und freue mich darauf, dass ich gleich ein Rennen fahren darf.
Der zweite wichtige Satz in meiner Karriere ist:
Die erst Pflicht des Athleten ist, gesund zu bleiben.
Ich bin der festen Überzeugung, dass beide Sätze unglaublich wichtig sind. Würde es keinen Spaß machen, sollte ich es lassen. Wer krank ist - oder Gefahr läuft, krank zu werden, sollte nicht trainieren. Keine Goldmedaille der Welt ist es wert, seine (körperliche wie geistige) Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
Und doch ist es manchmal unglaublich schwierig, diese Grundsätze einzuhalten.
Es gibt einfach diese Wochen, in denen alles drunter und drüber geht. Das Management hat gewechselt, ich habe es mal wieder geschafft, im ersten Kontakt einen positiven Eindruck zu hinterlassen und bin plötzlich mit ganz neuen Erwartungshaltungen konfrontiert. (Fragt mich nicht, wie ich das mal wieder hinbekommen habe. Bisher weiß er nur, was ich studiert habe und welche Themen ich bearbeite. Dass ich rudere, und was ich für meine Zukunft plane weiß er noch gar nicht.) Nichts fällt mir schwerer, als Menschen, die ein positives Bild von mir haben, zu enttäuschen. Und plötzlich sitzt man dann mal eben 9 Stunden im Büro und bereitet ein Projektreview vor, dass man dann doch nicht halten darf. Jetzt, wo wir sowieso nicht mehr draußen trainieren können, ist es ja auch egal, wenn ich eine Stunde später trainieren gehe, oder?
Und dann stehe ich im Kraftraum und möchte eigentlich nur noch ins Bett. Und das nicht nur einmal.
Aber es geht nicht. Ich MUSS trainieren. Am ersten Advent ist Ergotest und Langstrecke und ich werde gut sein müssen. Nicht Judiths-Durchschnitt-gut sondern RICHTIG gut, denn nächstes Jahr werden wir wohl keinen A-Kader mehr haben und drei der vier B-Kader Plätze sind wohl schon an die 2 Olympionikinnen nebst Ersatzfrau vergeben. Wenn Leo oder Katrin oder jemand anderes einen guten Tag erwischt, könnte es das gewesen sein mit der Sportförderung für's nächste Jahr. Also ran an die Eisen.
Soviel zum Thema "Rudern macht Spaß."
Der zweite Satz ist ungleich schwieriger einzuhalten, insbesondere dann, wenn man das Gefühl hat, sowieso schon zu wenig zu trainieren.
Ruf' mal deinen Trainer an und sag: "Ich komm' heute nicht, ich kann die Augen kaum noch offen halten." Das kratzt ganz schön am persönlichen Stolz. Alle anderen schaffen es ja auch. Denkt man sich so. Und dann sitzt man in der Kinopremiere von "DIE NORM - ist dabei sein wirklich alles?" und stellt fest: ein Sportlerleben ist ein ständiger Drahtseilakt zwischen Wollen und Können. Nicht nur bei mir.
Am Freitag wollte ich dann auch mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Habe es auch probiert und dann doch lieber sein lassen. War eher so Eislaufen auf 2 Rädern. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir jemals einen so kalten November hatten. Obwohl ich zugeben muss dass Schnee auf grünen Laubbäumen ziemlich cool aussieht...
Was ist falsch auf diesem Foto? Genau, es ist November. |
Heute (-1°, Thermohose, Thermoshirt, Skisocken, Buff, Mütze, Einteiler, winddichtes Shirt, T-Shirt, Weste) ging es dann halbwegs. Um die ausgefallene Langstrecke zumindest etwas zu simulieren, bin ich gemeinsam mit den anderen Hamburger Sportlern 4km auf der Regattastrecke gefahren. War am Anfang ziemlich kabbelig, aber am Ende sorgte die Tatsache, dass ich den vor mir gestarteten 2er-ohne noch überholen konnte, für einen gewissen Motivationsschub... und da war er wieder, der Spaß an der Sache.