Lauf zwischen den Meeren oder: von Fleckeby nach Gammelby in 40 Minuten

Meine Kollegen sind sich einig: "Judith ist doch voll fit, die muss dieses Jahr auf jeden Fall mitmachen" - "Du läufst sicher total schnell"
Aussicht vom Frühstückstisch

Also habe ich mich auf der Liste am schwarzen Brett eingetragen: Name: Judith Anlauf, Abteilung: M3, Bemerkungen: Vorbehaltlich Regattaplanung. Damit bin ich dabei, beim Lauf zwischen den Meeren. Von Husum geht es über 10 Etappen und knappe 97km an die Ostsee nach Damp. Schnell stelle ich bei unseren Vorbereitungstreffen fest, dass meine Kollegen echte Profis sind. Generalstabsmäßig wird geplant, wer aufgrund seiner geschätzten Laufgeschwindigkeit wann an welchem Wechselpunkt ist, und welcher Bus genommen werden muss, um rechtzeitig den Staffelstab entgegennehmen zu können. Meine Zeit wird von meinen Kollegen auf eine 4:30min/km geschätzt, was mir in Anbetracht der Tatsache, dass mein Halbmarathon-erprobter Kollege nur eine 4:45 laufen will dann doch verdammt fix vorkommt...

Freitag nachmittag geht es dann gleich von der Arbeit aus los nach Damp, wo wir unser Basislager in einem Ferienhaus aufschlagen. Ich werde der Geschlechtertrennung halber ausquartiert und schlafe mit zwei Kolleginnen, die in einem anderen Team starten in einer Hütte auf dem nahegelegenen Campingplatz. Nicht ganz so cool wie das Haus der Jungs, dafür aber direkt am Strand.

Freitag abend gibt's noch Nudelparty für alle Sportler und wir gehen nochmal Streckenverteilung und Busfahrpläne durch. Einer meiner Mitstreiter ist leider ausgefallen, so dass ich statt der letzten Strecke seine Strecke - von Fleckeby nach Gammelby - übernehme. Jörn muss die erste und die letzte Strecke laufen.

Während ich noch am Frühstückstisch sitze und so langsam doch nervös werde (und das obwohl der Lauf auf der Wichtigkeitsskala für mich irgendwo in der Größenordnung des Schwimmfests rangiert) ist Jörn schon unterwegs nach Husum.
Er und Simon, unser zweiter Läufer, legen ordentlich vor und unser Timekeeper kann vermelden, dass wir knapp 10 Minuten vor dem Plan liegen, als er mich kurz vor meinem Start anruft. Ich stehe in Fleckeby auf dem Sportplatz. Es ist ein Uhr mittags und ich kann mir aussuchen, ob ich lieber in der Sonne oder im Matsch warten möchte. Ich gebe meine Tasche im Zelt ab und hoffe, dass sie auch wirklich nach Gammelby transportiert wird, dann stelle ich mich in die Wechselzone und warte ungeduldig darauf, dass ein blaues T-Shirt mit Glatze um die Ecke gebogen kommt. Tom drückt mir dem Staffelstab in die Hand, gibt mir einen Schubs und dann bin ich auch schon unterwegs auf meiner Etappe. Erst geht es über sandige Feldwege am See vorbei. Ich habe Mühe, einen Rhythmus zu finden und bekomme Seitenstechen. Blos nicht unseren Vorsprung kaputtgehen lassen.
Es ist schwül und ich habe das Gefühl gar keine Luft einzuatmen, sondern einen stinkenden, feuchten Brei. Es geht auf die Straße, und von hinten Schnauft eine Läuferin auf mich zu. Ich versuche, gegenzuhalten, bekomme aber wieder nur Seitenstechen. Zwei andere Läufer kann ich unterwegs noch überholen, dann taucht vor mir endlich das 1km-Schild auf. Ich versuche, nochmal schneller zu laufen. Ich laufe durch das Dorf auf die Wechselzone zu, die Anwohner feuern mich an. In der Wechselzone stehen gefühlte zehn Leute in blauen Airbus-Shirts. Ich Renne stumpf an Johannes vorbei, er reisst mir den Staffelstab aus der Hand und rennt los. Etappe geschafft. Meine Tasche ist tatsächlich angekommen, so dass ich kurze Zeit später im Basislager anrufen kann: Übergabe ungefähr 14:05, ich habe tatsächlich die 4:30 geschafft.

Mit dem Bus geht's zurück nach Damp, mit dem Rest des Teams laufen wir zum Hafen und warten auf Jörn. Die letzten Meter laufen wir alle gemeinsam. Platz 26, in 6:55 Stunden. "Das ist 40min schneller als letztes Jahr" freuen sich meine Kollegen. Und für mich steht fest: Nächstes Jahr bin ich wieder dabei!



Internationale Wedau-Regatta Duisburg

Es gibt Tage, an denen man verliert. Und es gibt Tage, an denen jemand anderes gewinnt.

Der größte Unterschied zwischen einer nationalen Regatta im Einer und einer internationalen im frisch zusammengesetzten Doppelzweier besteht für mich im Unsicherheitsfaktor - und der war hoch in Duisburg.
Im Vorlauf am Samstag gingen wir gegen das Duo Leonie Pless/ Marie Louise Dräger, sowie die Niederlande und Polen an den Start. Also alles Mannschaften, deren Schnelligkeit und Taktik man ich nicht schon aus zig verhergegangenen Regatten kannte. Noch dazu wussten wir ja noch nicht mal selbst, wie schnell wir auf 2000m sind, denn im Training waren die Strecken maximal halb so lang. Der dritte Unsicherheitsfaktor  - das Gewicht, war schonmal geschafft als wir am Start lagen (mann, was hab ich gezittert in den letzten Tagen).

Vorlauf am Samstag (Quelle: Oliver Quickert/ rudern.de)
Die ersten paar Schläge waren gut: die Frequenz hoch, das Boot schnell, die Bugspitze vorn dabei. Darauf folgte eine halbe Katastrophe: wir fanden einfach nicht gemeinsam auf den Streckenschlag. Wenn man sich beim Rudern uneins darüber ist, wann und wie schnell und kräftig gesetzt, geschoben, ausgehoben und vorgerollt werden soll, dann fühlt sich das gerne mal für jedes Mannschaftsmitglied so an, als müsse man das Boot alleine bewegen. Das macht weder Spaß, noch ist es schnell, so dass wir uns im zweiten Streckenviertel gut vier Sekunden Rückstand einhandelten. Ein Zwischenspurt bei der Streckenhälfte brachte die Erlösung: endlich arbeiteten wir wieder zusammen! Auf der zweiten Hälfte waren wir dann, wenn man den Zwischenzeiten glauben kann, auch schneller als alle anderen Boote, konnten unseren Rückstand aber nicht mehr auflösen und landeten mit einer Luftkastenlänge Rückstand auf dem vierten Platz.

Da in Duisburg nur das Finale A ausgefahren wird, gab es für uns somit keine weiteren Rennen mehr an diesem Tag. Markus schickte uns trotzdem nochmal aufs Wasser und ließ uns 750m fahren, damit wir den Übergang nochmal übern. Das Ergebnis war nun ja... durchwachsen. Eins stand fest: morgen muss es besser werden.

Das wurde es dann auch. Vom Start weg waren wir uns einig und gut dabei, und rotierten die Strecke mit einer ambitionierten Frequenz 36 bis ins Ziel. Mit einer Zeit von 7:22 min lagen wir damit deutlich vor Marie-Louise Dräger und Lena Müller, und hätten den anderen Vorlauf sogar gewonnen. In unserem eigenen Vorlauf waren uns leider die schnellen Niederländerinnen, Polinen und Tschechinnen zugelost worden, so dass es wieder nur für Platz 4 reichte und wir ohne Finalteilnahme von dannen ziehen mussten.
Am Sonntag liegen wir deutlich vor Dräger/Müller (Quelle: Oliver Quickert/ rudern.de)


Unterm Strich war unser Bundestrainer aber überzeugt von unserer Leistung, so dass wir uns beide auf ein Ticket für Amsterdam im Doppelvierer freuen dürfen.

Judith trainiert... bei Schietwedder

Der Mai hat sich verabschiedet und dem April das Feld wieder überlassen. Zumindest kommt es mir so vor, als ich am Freitagabend nach einer anstrengenden Trainingseinheit durch den Nieselregen zu Johannes laufe um nachzugucken, ob dort noch Wochenblätter auf der Treppe liegen. Wir brauchen dringend Zeitungspapier, zu Hause stehen 6 Paar klatschnasse Schuhe. Es regnet seit einer Woche. An den Tagen, wo ich zur Arbeit radle muss ich 3 Garnituren Wechselklamotten einpacken. Ich habs satt.

Dieses und letztes Wochenende war Wiebke Hein bei uns zu Besuch - wir bereiten uns im Doppelzweier auf die Regatta in Duisburg vor.

Das ist nicht die offizielle Zweierselektion - im Prinzip sollen wir einen Grundstock für den Doppelvierer bilden. Bei der Zweierbildung bin ich - trotz des dritten Platzes auf den Deutschen Meisterschaften - nicht berücksichtigt worden. Bundestrainer müssen ihre Entscheidungen nicht offiziell begründen, aber es liegt wohl daran dass ich neben dem Rudersport auch noch andere Hobbys (Fertigungsprozesse entwickeln) habe und dass mein Ergowert noch zu langsam ist.

Sei's drum - Vierer fahren ist ja auch nicht schlecht. Und so haben wir uns zwei Wochenenden lang durch Wind, Wellen und immer wieder Regen, Regen, Regen gequält, bis wir uns halbwegs einig waren, wie wir denn mal zusammen rudern wollen. Jetzt muss nur noch das Schnittgewicht runter auf 57kg... kein leichtes Unterfangen, denn Wiebke ist deutlich größer als ich. Deshalb haben wir vereinbart, dass ich sie ein Stück weit ausgleiche. Also schnell das Nutellaglas ganz oben aufs Regal stellen... Und am Gewicht tut sich fast nichts. Sobald ich anfange, weniger zu essen, handelt mein Körper nach dem Prinzip von Captain Jack Sparrow (Nimm was du kriegen kannst und gib nichts wieder her.) Als sich anfang der Woche doch was auf der Waage tut bin ich doch sehr erleichtert...

Drückt uns die Daumen, dass das Wetter in Duisburg besser wird!

Saisonstart für die leichten Frauen

Diesen Bericht habe ich für unsere Vereinszeitung geschrieben. Hier ist er als Vorabversion und für alle, die die Zeitung nicht bekommen:

Topfit und voller Tatendrang waren wir aus dem Trainingslager zurück und wollten anfang April beweisen, dass wir jetzt auch schnell rudern können. In Leipzig angekommen begannen wir jedoch daran zu zweifeln, dass wir uns richtig vorbereitet hatten. Judith musste nämlich statt auf die Waage erstmal zum Fotoshooting. Geradeaus gucken und lächeln war die Ansage. Erst im Einteiler (Größe S), dann im Poloshirt (Größe M) und schließlich in der Trainingsjacke (Größe L). Sollte etwa die gewinnen, die das strahlendste Lächeln zeigte? Oder diejenige, der die Jacke am besten passte?
Zu unserer großen Erleichterung durften wir einige Zeit später dann doch auf die Waage (obwohl Irene gar nicht fotografiert worden war) und dort galt wieder das altbekannte Kriterium: 59kg oder weniger. Das haben wir beide geschafft und schwangen uns anschließend zum 2000m-Test auf die Ergometer, wo wir beide unseren persönlichen Bestwert knackten. Auch wenn das bei uns beiden vergeichsweise keine Spitzenleistungen sind, konnten wir doch mit uns zufrieden sein.

Weil Ergometer aber bekanntlich nicht schwimmen, mussten wir am nächsten Tag auch nochmal in die Einer steigen. 6000m - und das so schnell wie möglich. Für Judith noch eine recht ungewohnte Aufgabe nach viel Techniktraining, die auch eine bisher nie da gewesene Schwierigkeit mit sich brachte: die gelegentlich von ihrem Trainer auch als "Rotationsellipsoid" bezeichnete Sportlerin kam einfach nicht auf Frequenz und tuckerte die Strecke entsprechend mit einer gemütlichen, dafür aber technisch einwandfreien, Schlagzahl 30 hinunter. Na, ob das wohl schnell war?
Irene steigerte sich im Vergleich zu Langstrecke Dortmund und konnte vier Gegnerinnen hinter sich lassen.
Wir hatten unsere Boote schon fast fertig aufgeladen, als Markus uns anrief. "Judith sollte mal vorkommen zur Siegerehrung." Und so konnte eine völlig fassungslose Judith die Urkunde für den dritten Platz entgegennehmen.

Das Langstreckenergebnis zählt zwar nicht direkt für die WM-Qualifikation, zumindest kann eine gute Platzierung aber den Weg ein bisschen erleichtern, denn die Vorläufe der Kleinbootmeisterschaften werden nach dem Langstreckenergebnis gesetzt.
Für die Kleinbootmeisterschaften ende April in Köln waren 32 Boote gemeldet, von denen eine Stunde vor den Vorläufen noch exakt 26 antreten wollten. Der Rest war entweder zu fett fürs Ballett oder hatte aus anderen Gründen (Angst) abgemeldet. Am Qualifikationsmodus mit für die leichten Frauen eher ungewohnten Viertel- und Halbfinals änderte das jedoch nichts. Kurz gesagt lässt sich der Modus mit "3 gewinnt" zusammenfassen: wenn man in jedem Lauf mindestens dritte wird, landet man im Finale A (im Vorlauf reicht auch Platz vier.)


Quelle: www.rudern.de
Also ging es am Freitag abend los mit den Vorläufen. Für Judith, die aufgrund des guten Langstreckenergebnisses relativ langsame Gegenrinnen zugeteilt bekommen hatte im Grunde eine Pflichtübung, was sie aber nicht daran hindern sollte, wenigstens die schnellste Zeit von allen zu fahren. Irene kegelte gekonnt ihre Intimfeindin aus dem Rennen und qualifizierte sich somit für die Jagd auf die Plätze 1-24.


Bei sommerlichern Temperaturen war uns danach nach Wassereis zumute. Also los zu Aldi und flugs welches gekauft. Dabei stellten wir folgende Sachverhalte fest:

  1. Bei Aldi gibt es Wassereis mit Orangengeschmack nur im Sechserpack.
  2. Das Eis ist dafür aber so billig, dass es einem keine Schmerzen bereitet, die drei Tüten, die man selbst nicht isst, weiterzuverschenken.
  3. Orangen-Wassereis von Aldi ist das leckerste Eis der Welt. Zumindest, wenn man vorher 2000m gerudert ist.
  4. Wenn man versucht, übriges Wassereis zu verschenken, hat man deutlich bessere Chancen, wenn man eine 23-jährige Frau ist und circa 10-jährige Mädels auf Rollschuhen anspricht, als wenn man als erwachsener Mann versucht, das gleiche Eis drei etwa 15-jährigen anzudrehen. (Woran das wohl liegt?)
Am Samstag morgen hatte Judith dann auch gleich die Möglichkeit, eines ihrer lang gehegten Saisonziele anzugehen: einmal im direkten Vergleich schneller rudern als Wiebke Hein aus Potsdam. Das gelang erstaunlich mühelos, durch in Judith-typischer Manier langsames losfahren und einen gekonnt gesetzten Zwischenspurt; und schon wieder kam dabei - quasi als Nebenprodukt - die schnellste Zeit heraus.
Doch es ging auch noch schneller: Mit Marie-Louise Dräger und Lena Müller traf Judith im Halbfinale gleich auf zwei Mitglieder der Olympiamannschaft von 2012. Leicht überrascht davon, von Marie am Start nur noch Kondensstreifen zu sehen, kämpfte sie sich trotzdem noch vor Lena Müller auf Platz 2 vor und stand damit sicher im Finale A.

Irene hatte sich in ihren beiden Zwischenläufen haupsächlich der Optimierung ihrer Rudertechnik gewidmet (sie hat das Kondennsstreifenproblem mit ein paar mehr Leuten), und trat am Sonntag im Finale D um die Plätze 17-22 an (wer nachrechnet wird feststellen, dass weitere zwei Ruderinnen - diesmal krankheitsbedingt - abgemeldet hatten). Sie machte es spannend, überquerte die Ziellienie aber schließlich knapp eine Sekunde vor ihrer Würzburger Konkurrentin und erreichte somit Platz 21 im Gesamtklassement.
Quelle: Oliver Quickert/ www.rudern.de

Auch für Judith wurde es spannend: sie ließ sich im Finale nicht mehr so einfach von Marie-Loise Dräger überrumpeln und fuhr den größten Teil der Strecke Bord an Bord mit ihrer Konkurrentin um Platz 2 hinter einer einige Längen vorausrudernden Anja Noske. Erst im Endspurt musste sie ihre - physisch deutlich stärkere - Konkurrentin ziehen lassen und erreichte damit den Bronzerang. Damit ist die WM-Teilnahme so gut wie sicher - also merkt euch schonmal die letzte Augustwoche, Amsterdam und den Leichtgewichts-Frauendoppelvierer vor!
Quelle: Oliver Quickert/ www.rudern.de

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