Kleinbootmeisterschaften

Wenn nur dieser Wind endlich aufhören würde.... Ich habe keine Lust mehr. Seit einer Woche geht das schon so: 35 Minuten hin, 20 Minuten zurück. Fühlt sich auf der einen Tour an wie gegen eine Wand anfahren, auf der Rücktour bekomme ich im Endzug die Hebel nicht mehr aus dem Wasser sortiert. Wird Zeit, dass wir loskommen. In Brandenburg soll etwas weniger Wind sein.

Dort geht es dann am Freitag nachmittag los mit dem Vorlauf. Es ist tatsächlich nicht so windig wie in Hamburg, dafür sind die Wellen aber zumindest im Warmfahrbereich höher. Auf der Strecke geht's dann zum Glück.
Dank meines relativ guten Ergebnisses auf der Langstrecke ist der Vorlauf eine insgesamt gut lösbare Aufgabe. Ab der Streckenhälfte liege ich weit genug vorne dass ich meine Kräfte für den Rest der Strecke schonen kann und im lockeren Streckenschlag als erste durchs Ziel paddle. Auch Irene schafft es eine Runde weiter.

Vorlauf in Brandenburg. Bei ordentlich Wind rudert es sich nicht ganz so entspannt. Foto: Detlev Seyb, www.rudern.de

Samstag ist dann quasi Großkampftag: Vormittags Viertelfinale, nachmittags Halbfinale. Im Viertelfinale treffe ich gleich auf die Topfavoritin Anja Noske. Wir entscheiden uns dazu, sie erstmal fahren zu lassen, denn ein Angriff würde sehr viel Kraft kosten, die ich vielleicht doch im Halbfinale brauchen werde, hätte außerdem wenig Erfolgsaussichten und wenn doch dann wäre sie wohl im nächsten Lauf besser auf mienen Angriff vorbereitet. Deshalb schön gemütlich auf Platz zwei fahren - und dann feststellen, dass die Startaufstellung ziemlich haarig werden könnte...

Markus fragt mich noch, ob es mir helfen würde, wenn er mir mehr Druck macht. - Nein. Ich fahr am besten wenn ich Spaß an der Sache habe, das weißt du doch. - Gut, dann unterhalte dich bitte die nächsten drei Stunden nicht mit dem Bundestrainer.
Was auch immer das schon wieder heißen mag...

Zurück ins Hotel. Ausruhen. Warten. Alle fünf Minuten die Live-Ergebnisseite aktualisieren. Als wir wieder zur Strecke zurückfahren ist IMMER NOCH KEINE ANSETZUNG ONLINE! Ich werde nervös. Sehr sehr nervös. Kaum sind wir an der Strecke laufe ich zum Schaukasten. Da hängt sie, die Ansetzung zum Halfinale. Ich lese sie einmal. Ich lese sie nochmal. Das eben noch unmöglich geglaubte tritt ein. Ich werde noch nervöser.
Die Ansetzung für meinen Lauf lautet wie folgt: Thoma - Anlauf - Dräger - Pless - Müller - Neuhaus.
Also vier Kandidatinnen fürs Finale A in einem Halbfinale. Na denn man tow. Ich fühle mich ungefähr so agil wie das Kaninchen vor der Würgeschlange.
Nach ein paar Minuten Schockstarrre denke ich mir: Na gut, sei's drum. Eine von denen wollte ich ja eh schlagen, dann machen wir das halt im Halbfinale. Musik in die Ohren und ein bisschen spazierengehen. Funktioniert fast genau so gut wie sonst auch.

Irgendwann darf ich dann endlich aufs Wasser (das ist der Zeitpunkt, wo beim Sportler die Nervosität rapide ab- und beim Trainer zunimmt.) Ich fühle mich fit und habe Lust auf das Rennen.

Wir liegen neben der Bahn, bereit zum Start zu fahren. Ich zähle durch. 5 Boote. Die Starterin fragt, ob es okay wäre, den Vierten Lauf vorzuziehen, um der nassen Sportlerin die Möglichkeit zu geben zu starten. Offensichtlich ist jemand reingefallen. Vielleicht Lena, die fehlt ja noch. Legt sich bestimmt trocken und kommt dann. Dauert dann ja noch ne Weile. Also fahr ich noch ne Runde. Doch wir sind schon als nächstes dran. Immer noch ohne Lena. Ich komme etwas gehetzt am Start an und wundere mich noch, dass mein Startkind mich so entspannt festhält und nicht so gerade eben noch meine Heckspitze erreichen kann. Dann ist wohl doch noch Zeit, die Wasserflasche auszukippen... "ACHTUNG" oh, Mist...
Ich fahre los wie Kraut und Rüben und brauche erstmal ein gutes Viertel der Strecke um meinen Rhythmus zu finden. Da sind Marie und Leonie natürlich schon längst ganz weit weg... na ja, immerhin erarbeite ich mir mit meinem Zwischenspurt einen ganz brauchbaren Vorsprung vor den anderen zwei Starterinnen. Zum Endspurt fehlt mir dann irgendwie die Motivation. Ich bin höchst unzufrieden damit wie ich gerudert bin, aber immerhin hat es ja fürs Finale gereicht.

Zurück an Land erfahre ich, dass eine Sportlerin aus dem vierten Lauf beim Warmfahren gekentert war und man diesen Lauf deshalb früher über die Strecke geschickt hat. Lena hat wegen Krankheit abgemeldet. Außerdem sollte ich deshalb nicht mit dem Bundestrainer sprechen, weil dessen Ansage war, dass für den Zweier nur infrage kommt, wer im A-Finale startet.

Ich schlafe ziemlich schlecht. Mit so einem Lauf wie dem Halbfinale würde ich im Finale ziemlich alt aussehen.

Der Wind hat sich gelegt, die Sonne scheint, es ist warm. Auch heute hilft meine persönliche Motivationsmusik erstaunlich gut gegen die Aufregung. Mach dir einen Plan sagt Markus mir in der Rennbesprechung. Ich nehme mir vor, zur Streckenhälfte jemanden zu überholen. Bis ich zum Start gerudert bin fühle ich mich dann auch endlich wach und fit. Es kann losgehen.

Wie immer fahre ich nicht ganz so schnell los wie alle anderen und liege erstmal an letzter Stelle. Weit weg sind sie aber auch nicht. Mein Zwischenspurt funktioniert, zwischenzeitlich wähne ich mich auf Platz vier. Trotz des langen Zwischenspurts bekomme ich auch noch einen Endspurt hin, aber leider ist der meiner Kontrahentin dann doch noch ein bisschen schneller, so dass ich mich letzten Endes mit Platz 5 begnügen muss. Schneller hätte ich aber nicht fahren können, ich bin also zufrieden mit dem was ich erreicht habe.

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