Ein Ausflug nach Hamburg und eine Reise über das Meer

Was ist das beste an Ratzeburg? Genau, man ist mit dem Auto schnell in Hamburg, denn freie Nachmittage in Ratzeburg mit seinem unvergleichlichen Kurortcharme findet der Durchschnittsruderer in seiner x-ten UWV  dann doch irgendwann ziemlich langweilig.
Also steigen wir zu fünft in Jules Auto und machen uns auf den Weg nach St. Pauli um… richtig, um im Luciella's, der Eisdiele von Schwimmweltrekordler Markus Deibler vorbeizuschauen.

Nachdem wir das Heiligengeistfeld einmal fast umrundet haben finden wir den Laden auch gleich da, wo wir unser Auto abgestellt hatten. (Was wäre die Menschheit heutzutage nur ohne GPS?)
Eine Horde glücklicher,  eisverschmierter Kinder steht vor uns auf der Straße - nichts wie rein da, so wollen wir auch aussehen.
Markus ist selber nicht da, aber seine Mitarbeiterinnen packen uns gerne riesige Eiskugeln in den Geschmacksrichtungen Erdbeer-Minze, Erdnuss-Schokolade, Gurke-Melone,  oder Avocado-weiße Schokolade in die knusprigen Waffeln.

Anschließend trennen sich unsere Wege vorübergehend - ich treffe mich mit Johannes und beobachte eine schwimmende Milkakuh an den Landungsbrücken, während die anderen einen Friesennerz für Lisa kaufen gehen. Anschließend wollen wir noch was Essen gehen, so der Plan.
Leider wollen die Spielverderber von der NADA ausgerechnet heute Blutproben vom Doppelvierer, so dass wir gegen 7 schleunigst wieder gen Ratzeburg aufbrechen müssen.
Wir sind alle 5 sehr hungrig und sehr mies gelaunt. Bis alle Proben genommen sind ist es 9 Uhr. Wir steigen wieder ins Auto und fahren zum einzigen Italiener der Stadt, der noch offen hat… Schmecken lassen wir's uns trotzdem.


Ich ahnte, dass die physischen Strapazen mich wie eine Nuss knacken würden, aber ich war davon überzeugt, dass es dann wenigstens eine Reise in meinen eigenen Kern werden würde. Die Monotonie und Langeweile an den Rudern erschien mir als probates Mittel zum Nüsseknacken. Mehr nicht. Man sitzt wie an Gebetsmühlen in einem Zen-Kloster und hat jede Menge Zeit zum Meditieren und Kontemplieren. (Janice Jakait - Tosende Stille)

"Da bist du ja!" Markus' Stimme erreicht mich mitten auf dem Atlantik, irgendwo zwischen Portimao und Barbados und holt mich mit einem Schlag zurück in die Ratzeburger Ruderakademie. Verwirrt sehe ich ihn an. "Hätte ich schon um vier Training gehabt? Ich war so auf 17 Uhr gepolt." Ich klappe das Buch zu und begebe mich in den Kraftraum.

Einen Tag später habe ich das Buch fertig gelesen. Janice Jakait ist in 90 Tagen über den Atlantik gerudert und ich habe ihr Abenteuer im Zeitraffer, in nur zwei Nachmittagen, durchlebt. Es ist erstaunlich, wie spannend ein Buch sein kann, in dem eigentlich nicht viel passiert. Eine Frau rudert über das Meer, beobachtet allerlei Tiere und begegnet gelegentlich einem Schiff.
Spannend ist, was sich dabei in ihrem Kopf tut. Wie sie damit beschäftigt ist, sich selbst und das ständige quietschen ihres Steuerruders zu ertragen. Und zu welchen Erkenntnissen über ihr Leben sie da draußen auf dem Ozean kommt.

Ich überlege, ob ich jetzt "Die Analphabetin, die rechnen konnte" anfangen soll, oder ob ich gleich nochmal mit Janice und der Sturmschwalbe Murphy den Atlantik überquere.

Aber zu allererst muss ich sowieso selbst nochmal über den Ratzeburger See rudern..

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